Ernst Rees: Zu den Anfängen der BUND-Gruppe Herbolzheim

Die Anfänge der BUND-Gruppe haben natürlich einiges zu tun mit der Person ihres Gründers, also mit mir, dem seit 1979 pensionierten Lehrer Ernst Rees (Jahrgang 1917). Ungleich mehr aber mit der zeitgeschichtlichen Situation. Zum Punkt 1 erlaube ich mir anzumerken: Als sogenannter "Jung"-pensionär hatte ich das innere Bedürfnis, nochmal etwas anzupacken, was Sinn macht und Befriedigung schenkt, mehr als alle Hobbies zusammen.

Auf eine persönliche Einladung hin war ich schon einige Jahre vorher zu einer kleinen Gruppe gestoßen, deren Thema beim sonntäglichen Frühschoppen Umweltprobleme waren. So wurde ich auch 1974 BUND-mitglied, kaum daß der Landesverband Baden-Württemberg gegründet war. Weiter tat sich aber in dieser Gruppe nichts. Wohl auch deswegen schlief sie so langsam wieder ein.

Das änderte sich grundlegend mit meiner neuen Freiheit im Sommer 1979. Meine Sensibilität für Naturschutzprobleme hat übrigens eine lange Vorgeschichte. Meine ersten prägenden Erfahrungen auf dem elterlichen Bauernhof, vor allem im Umgang mit Haustieren, gehören dazu, unvermeidlich wohl auch ein übersensibilisiertes Gewissen aus den kirchlichen Internatsjahren. Diese hatten auch ihr Gutes, z.B. die frühe Immunisierung gegen Barbarei im Nazi-staat, hautnah so richtig mitbekommen im Arbeitsdienst 1938. Schon 1930 hatte ich marschierende braune Kolonnen mit ihren gegröhlten Liedern als angstauslösend empfunden. Den Krieg habe ich heil überstanden, die Gefangenschaft mit sehr viel Glück auch. Dem schlimmen, Leben bedrohenden ersten Jahr folgte im dritten ein vorher unvorstellbarer geistiger Höhenflug im Studienlager NORTON-CAMP in den "Midlands" (England). Die sieben Monate brachten mir eine Horizonterweiterung, die ich heute noch als eine zweite, eine geistige Geburt empfinde. Offiziell drehte es sich schlicht um eine Kurzausbildung als Lehrer.

Im Schuldienst ab 1948 mit seinen stets sich wandelnden Anforderungen erlebte ich, wie wahr das lateinische Sprichwort "docendo discimus" (durch Lehren lernen wir) ist. Früh habe ich damit begonnen, meine schon mitgebrachten Einsichten betreffs Naturschutz weiterzugeben. Nachhaltig wurde ich in meiner gewachsenen Empfindlichkeit bestärkt z.B. durch Carsons Buch "Der stumme Frühling", durch Herbert Gruhls "Der geplünderte Planet", auch durch "Sterns Stunden".

Unbemerkt bin ich damit schon zur zweiten Quelle meiner Motivation vorgestoßen: Die fortlaufend sich verstärkenden, immer bedrohlicher werdenden ökologischen Probleme unserer Anspruchs- und Verschwender-gesellschaft, die mit ihren teils höchst fragwürdigen Fortschritten drauf und dran ist, die Überlebensfähigkeit der ganzen Menscheit in Frage zu stellen.

Nun zur eigentlichen Vorgeschichte der BUND-Gruppe Herbolzheim: Nach Rücksprache mit Freunden griff ich eines Tages das Angebot des Landesverbandes auf, bei der Gründung einer Ortsgruppe helfen zu wollen. Es folgte ein Info-Abend im Rahmen des katholischen Bildungswerkes. Ein Zeitungsartikel von mir über die von der Stadt geplante und an einer Stelle bereits begonnene Auffüllung der Hohlwege "Altkinzig" und "Pfundele" erregte Aufsehen, brachte auch persönliche Anfeindungen, bedeutete aber letztlich den Durchbruch hinsichtlich Bekanntheitsgrad der Gruppe. Der damalige Bürgermeister Hoffmann reagierte übrigens sofort in unserem Sinne. Bald darauf rief er mich an und machte ein überraschendes Angebot. Er fragte, ob wir von der Stadt geerbte Rebgrundstücke auf dem Hüttenbühl, die inzwischen verwahrlost waren, in Obhut nehmen wollten. Mit der gewagten Entscheidung "für" konnte ich nicht lange warten. Denn es galt jetzt auch, glaubwürdig zu bleiben, bzw. glaubwürdig zu werden! Es war eben mehr gefragt als nur Worte!

Hinter dem "Ja" stand eine Vorstellung. Ich sah eine lohnende Aufgabe darin, den strukturreichen "Vorderen Berg" so naturnah wie möglich zu erhalten --- auch zu gestalten! - als ein Zeichen gegen die damals schon im Gang befindliche maschinen-konforme Ausräumung der Landsschaft, auch bei uns. Dahinter stand auch der Gedanke, durch Ausweitung der Waldparzellen am Hausberg, das Kleinklima zu verbessern. Das "Ja" erwies sich als eine Zusage mit Langzeitwirkung - und mit einer Fülle von anfallenden Arbeiten, die so vorher nicht abschätzbar war. Es fing mit den Weihergrundstücken am Hüttenbühl an, die damals total von den Goldruten in Besitz genommen waren. Viele fleissige Hände - am Anfang in der Mehrzahl die von ehemaligen Kollegen und Schülern - waren nötig, bis aus überwucherten ehemaligen Rebgrundstücken eine gepflegte Neupfanzung geworden war, eine bedachte Mischung von Obstbäumen, Sträuchern und auch Waldbäumen. Wenn übrigens Maschineneinsatz nötig war, gab es beim Bürgermeister nie ein "Nein!" Auch notwendiges Pflanzgut zahlte die Stadt.

Unsere Arbeiten legten so den Grundstein für das heutige Landschaftsschutzgebiet "Hüttenbühl" und die Klassifizierung des ehemaligen Steinbruchs Behrle sogar als Naturschutzgebiet. Der frisch angelegte Teich wurde übrigens schnell bevölkert, als ein paar Gelbbauchunken eingesetzt waren. Doch eines Tages war es aus! - Um allem Rätseln zuvorzukommen, hat der Täter seine E-605-Dose auf dem Wasser schwimmen lassen! -

Zu der ersten angepackten Aufgabe kamen noch viele andere. Einige sollten wenigstens erwähnt werden:

  • Die Ausräumung der Hohlwege, die von manchen Bürgern offenbar als abgabenfreie Müllhalde mißbraucht worden waren.
  • Aufhängen und Reinigen von Nistkästen, um etwas gegen die wachsende Wohnungsnot unserer gefiederten Sänger zu tun.
  • Die Bepflanzung kahler Uferbereiche an der Bleiche mit Erlen und Weiden, um Uferbereiche besser gegen Erosion, Auswaschungen bei Unwettern, abzusichern.
  • In der Zeit der Krötenwanderung die Tiere nicht noch mehr so massenhaft dem schnellen Tod auf den Straßen auszusetzen.