Ernst Rees:
Unser Leben - wie eine Höhenwanderung mit Absturzgefahren?
oder ----- wie eine Wanderung zwischen Pest und Cholera?

Ich wähle das zweite Bild: Mit "Pest" meine ich hier die Vereinnahmung des kleinen " Ich" durch Machtausüber, kleine und große, von der Familie bis zum Staat, also durch sogenannte "ÜBER - ICH - MÄCHTE", mit und ohne Namen.

Es sind fühllose, unerbittliche Tyrannen, die nur blinden Gehorsam dulden bei ihren: "Du mußt, du darfst nicht, du solltest, man hat, man trägt, man läßt, man sagt, man macht" ..., u.u.u.

Diese Tyrannen machen aus der einmaligen Schöpfer-idee, die du bist, einen armen Wicht,der nur zu spuren hat, ein Werkzeug fremden Willens oder lebensfeindlicher Ideologien. Ergebnisse solch "gelungener" Anpassung oder Dressur oder Vergewaltigung? -- Kennst du keine? - Dann mußt du taub oder blind sein!- Oder bist du vielleicht teils oder zeitweiser selbst Opfer und um Lebenschancen Betrogener gewesen?

Nun zum andern Alptraum? Mit Cholera meine ich hier den Sumpf der ICH-Verhaftetheit, bei der alles Streben der Befriedigung eigener Antriebe untergeordnet ist, und das möglichst ohne Umwege: maßlos in der Selbstbehauptung, maßlos in der Lust-suche, maßlos in Macht- und Besitzstreben.

In diesem Sumpf fehlt selten persönliche Empfindlichkeit bei gleichzeitiger Herzlosigkeit und Gefühlsarmut gegen andere. Und Sinn für Verantwortlichkeiten nur so weit, wie es eigene Abschätzung von Risiken nahe legt.

Gelingendes Leben dagegen weist sich oft augenfällig aus in glücksgesättigten Erfüllungen. Sie wachsen am ehesten denen zu,die ihre Talente zur Entfaltung bringen und sich dabei sowohl ihren Herausforderungen wie auch ihren Fehlern stellen.

Sie räumen ihren körperlichen Bedürfnissen den ihnen gebührenden Platz ein, deutlich begrenzt durch die einsichtig gewordenen Forderungen der Geistnatur. -- So nur kann wahre "Selbstverwirklichung" gelingen!

Zu glückendem Leben gehören mehr als nur Spuren von Takt, Fairness, Fürsorglichkeit, Gerechtigkeit, Verläßlichkeit, Einfühlungsvermögen, Dialog- und Lernfähigkeit, Zivilcourage und Verzeihenkönnen.

Unverzichtbar auch für ein sich rundendes Leben: Selbst-und Gottvertrauen, Demut und Starkmut zugleich, was Standfestigkeit in stürmischen wie ruhigeren Zeiten des Lebens möglich macht. Nur so wird der Mensch davor geschützt, Fahne im Wind eigener Launen, fremder Machtansprüche und wechselnder Moden zu werden.