Ernst Rees: Gedankensplitter zum "Rätsel Mensch"

    "Welch ein Schattengebilde ist doch der Mensch!
    Welche Neuheit der Schöpfung, welch Ungeheuer
    Welches Chaos, welch ein Tummelplatz der Widersprüche,
    Welch ein Wunder!
    Richter aller Dinge, blöder Wurm, aus Erde gemacht
    Bewahrer des Wahren,
    Unsaubere Stätte der Ungewißheit und des Irrtums,
    Ruhm und Auswurf des Weltalls!"
                                        (aus Pascals "pensees")

Der Mensch also offenbar ein Wesen voller Widersprüche! Seine Handlungsmotive wachsen zunächst mal aus seiner leib-seelischen Befindlichkeit, seinen körperlichen Bedürfnissen, die in Form von Lust - Unlust-Erlebnissen nach Absättigung, bzw. Befriedigung oder Abwehr drängen.

Mit wachsender Lebenserfahrung und Reife kann es nicht ausbleiben, dass jedes Menschenkind auf einen schmerzhaften Zwiespalt stößt, nämlich den zwischen eigenem Bedürfen, Wünschen und Wollen - und dem Zwang, auf Bedürfnisse und Ansprüche des menschlichen Umfeldes Rücksicht nehmen zu müssen.

Einsicht oder wenigstens eine Ahnung von den Bedingungen der eigenen Existenz und des persönlichem Wohlbefindens fordern gebieterisch die Einbettung des eigenen Lebens mit all seinem Bedürfen, Begehren, Hoffen, Glauben, Wünschen und Erstreben in den größeren Zusammenhang der Lebensgemeinschaften meines Wirkungskreises.

Einsichtgesteuertes Handeln, also kluge, verantwortbare Reaktion auf Lebensumstände, also immer auch die Folgen eigenen Tuns abschätzend, das ist von uns Menschen verlangt!

Tiere haben es in dieser Hinsicht leichter. Sie leben allein aus ihren bedürfnisgesteuerten Antrieben , natürlich eingegrenzt von Umweltbedingungen, zuverlässig auch eingegrenzt von ihren Instinkten, die lebensfeindliches Übermaß unmöglich machen. Tiere sind in ihrer Welt "daheim", ohne deutliches Bewußtsein von sich selbst.

Ganz anders beim Menschen: Wie oft wird eine sich aufdrängende Einsicht verdunkelt, ja überflutet von Trieb- und Gefühlstaus, von lebensfeindlichen Einstellungen und Gewohnheiten! Tendenzen zu ungesteuerten Maßlosigkeiten sind nicht zu übersehen. Keine Instinktschranken --- wie sie bei den Tieren zuverlässig funktionieren --- schützen den Menschen vor Mißbrauch seiner Möglichkeiten.

Das scheint auch voll für seine Geistnatur zu gelten. - Was deren Verabsolutierung in der Menschheitsgeschichte mit ihren "ismen" in und mit ihren fanatisierten Anhängern schon angerichtet hat, das sollte man gerade bei uns im Jahre 2ooo niemand mehr erzählen müssen.

In jedem von uns wabern in unbewußten Abgründen des "ES" mächtige vorurteil-beladene Prägungen, Sympathien und Antipathien, Hoffnungen und Ängste, Aggressionspotentiale, ein Besitz- und Machttrieb, Bindungstrieb und Luststreben, und - nach Verpassen von Chancen: ? - Und all diese Anlagen drängen auf Beachtung, wenn nicht um die Vorherrschaft in unsern Tagesbewußtsein.

Die oberen Stockwerke des helleren Tagesbewußtseins sind und bleiben durchwirkt, eingefärbt und "befruchtet" von diesen heimlichen Kraftquellen, damit aber auch bedroht von der steuerungsbedürftigen Wucht dieser Antriebe.--

Sie können bei Versagen des "Steuermanns" die kultivierte oder kultuvierungsfähige Seelenlandschaft überschwemmen und ertränken.

Wenn aber der Mensch seine Befreiung aus der tierischen Instinktgebundenheit mißbraucht, so den "Adelsbrief" selbstverantworteter Freiheit in gewissenlose Beliebigkeit verkehrend, um seinen triebhaften Neigungen ungehemmt frönen zu können, so handelt er dümmer, als je ein Tier es könnte.

Die uns Menschen zuwachsenden Einsichten in ethische, also allein zukunftsfähige Bindungen und Verantwortlichkeiten, sollen und sollten die Gratwanderung schaffen zwischen scheinbar Unvereinbarem: Den Ansprüchen der Tiernatur hier -- und der Geistnatur dort.

Die dem Menschen also anvertraute "Freiheit", sich seine Ziele selbst setzen zu können, hat also offenbar grandiose, aber auch tragische, unheilträchtige Seiten.

Ein mächtiges Gegengewicht gegen die dunklen Möglichkeiten des Menschen ist unsere Bedürftigkeit nach einem "daheim", nach Geborgenheit in der Familie, nach Zugehörigkeit, nach Geliebtsein, nach Wertschätzung, auch in größeren Gemeinschaften. Jeder Mensch braucht zu seiner gesunden Entfaltung existenziell den "sozialen Uterus" als Antwort auf die kreatürliche Hilflosigkeit und Verlorenheit des Einzelnen. - Die Robinson-geschichte ist nur ein schön erfundenes Märchen.-

Der Schutz, den der "soziale Uterus" anbietet, ist aber nicht zu trennen von den Konsequenzen: Denn jede Gemeinschaft fordert von ihren Gliedern ein Verhalten, das es erst zu einem angenommenen und respektierten Glied der Gemeinschaft macht. Nicht aufzuzählen die Spielregeln, deren Beachtung jede Gruppe von ihren Gliedern in Gestalt von Sitte, Brauch, Benimm, Gesetz, Verbot, Umgangsformen, .... einfordert.

Wieder nicht zu zählen die Formen von "Lohn" für die erforderte Anpassung in Gestalt von Lohn, Wertschätzung, Ansehen, Vertrauensstellung... bis hin zu Freundschaft und Liebe.

Dramatischer in vieler Hinsicht die Antworten auf

Verstöße gegen die "Spielregeln" der jeweiligen Gruppe.

Was wäre da nicht alles aufzuzählen, angefangen mit leisem Tadel, mit Übersehenwerden ... bis Mobbing, gesellschaftliche Ächtung u. u. u. - Die Abgründe des Möglichen aufzulisten, ist überflüssig.---Leider ist hier ein gewichtiges "ABER" fällig:

Auch die Gruppen, deren Regeln die Einzelnen in die Pflicht nehmen und gemeinschaftswidriges Verhalten ahnden, sind keineswegs ein Hort von Gerechtigkeit und Wohlwollen, nur weil sie Gruppe sind. Sie können und sollten Heimat für ihre Glieder sein, ein geordneter Kosmos, in dem jedes Mitglied sich sicher und wohl fühlen können sollte. - Doch Gruppen jeder Größe bis hin zu Staaten können auch verschlingende Ungeheuer sein, wie wir Heutige bitter erfahren mußten.

Auseinandersetzungen zwischen "ICH" und "WIR" sind deswegen unvermeidlich.

Jedes Ich, auch das friedliebendste, darf, ja soll und muss um seinen Platz in seiner Welt, um seine Rechte kämpfen, sich gegen überzogene Zumutungen von Einzelnen wie von Gruppen zu behaupten suchen.

Umgekehrt, jede menschliche Gemeinschaft, auch die humanste, kann nicht anders, sie muss den "EGOS" ihren Freiraum beschneiden, denn kein Ganzes kann gedeihen ohne Spielregeln, die für alle gelten.

Jede Gemeinschaft muß untergehen, die es nicht schafft, Gesetzesbrecher und Gemeinschaft bedrohende Teilgruppen zu integrieren oder auszuschalten.

Was ist der Mensch also mehr: - ICH - oder - WIR ?

Er ist beides zugleich, das "WIR" ist nicht lebensfähig ohne verantwortungsbereite ICHs -- Und die "ICHs", angewiesen auf vielfältige Fürsorglichkeit und Anregungen von WIRs, damit z.B. geistige Anlagen sich überhaupt erst entfalten können, sind ohne Eingebettetsein in Gemeinschaften gar nicht denkbar.

Sogar hartgesottenen Egozentrikern ist viel daran gelegen, vom menschlichen Umfeld respektiert zu sein. - Von der existenziellen Abhängigkeit jedes Einzelnen mal abgesehen, bedeutet das emotionale Angewiesensein auf menschliches Miteinander auf vielen Ebenen ein starkes Korrektiv gegen Fehlverhalten aus egoistischen Antrieben.

- Tabu-brecher waren früher auf dem Dorf, wo jeder jeden kannte, ohne Chance. - In der heutigen Gesellschaft der anonymen Massen hat dieses Korrektiv allerdings "Schwindsucht" bekommen.

Wir haben es erlebt: Auch die Erfahrung von Geborgenheit in vermeintlich guter Gesellschaft kann trügerisch sein: " Denn die große Mehrheit der Menschen fühlt sich ungleich wohler in einer Herde von Angepassten, von Mitläufern im Sog einer Mode, oder schlimmner: im Sog einer After-Ideologie, als dass sie riskierte, sich dem eisigen Steppenwind der Einsamkeit, des Unverstandenseins, des Bedroht- und Ausgestoßenseins auszusetzen." (Bonhöfer)

Das erklärt ein Stück weit unsere schwärzesten Erfahrungen, ohne sie im mindesten entschuldigen zu können.

------- Hat jeder Leser nun auch gemerkt, dass die ganze Zeit schon von einer besonderen geistigen Fähigkeit des Menschen die Rede war, nämlich vom Gewissen! - Es ist der Dirigent des Orchesters "Mensch". Dieser Dirigent hat aber Probleme. Es fehlt ihm oft an Autorität, an Durchsetzungskraft. Oft liegt die Schuld beim Dirigenten selber. Denn "Gewissen" ist zunächst nur Anlage. Es braucht Herausforderungen! Nur an Erfahrungen kann es wachsen und reifen. Wer nun aber auf die Vielfalt der Eindrücke sieht, die heute auf einen jungen Menschen einstürmen, wird sich nicht wundern zu hören, dass die Geistgabe "Gewissen" auch verdunkelt sein kann durch schimme Fehlprägungen und überschäumende Triebimpulse.-

Ein Theologe dazu: "Wir sind nicht nur unserm Gewissen verantwortlich, wir sind auch für unser Gewissen verantwortlich.

Nun zu einem anderen Teilaspekt menschlicher Befindlichkeit

Der Mensch als Lust- und Glücksucher

Angeboren ist uns Menschen wie den höheren Tieren das Streben nach offenbar lustbetonter Befriedigigung von existenziellen Bedürfnissen. Je drängender sie sind, desto intensiver und lustvoller wird ihre Befriedigung empfunden. Je quälender sie sind, desto unbeirrbarer der Aufwand, die Entspannung der Lage zu erreichen.

Alle Bedürfnisse wie auch ihre lustvolle Befriedigung stehen - beim Tier jedenfalls - im Dienst des Lebens, der Gesundheit und der Arterhaltung. - Den Tieren setzen Instinkte sinnvolle Grenzen. Dem Menschen dagegen....?

Mit wachsender Einsichtsfähigkeit in Ursachen und Wirkung seines Tuns und Lassens nimmt seine Instinktverhaftetheit ab. - Das ICH kann jetzt "selbstherrlich", aber eben auch selbstverantwortlich, unter sich anbietenden Handlungsmotiven auswählen. - Eine gradiose Freiheit! - aber auch eine gefährliche! Denn Lustgewinn kann jetzt angestrebt werden ohne Rücksicht auf Gesundheit, auf Mitmensch, auf Umwelt, auf Zukunft, also ohne Einbettung in Lebensbezüge! - Und das hat Folgen!.-

Es gibt einen Königsweg für die fruchtbare wie beglückende Symbiose zwischen den Strebungen der ICHs und den Vitalinteressen von Mitmenschen und Gemeinschaften. - In der Anziehungskraft der Geschlechter hat der Schöpfer selbst den Menschen die goldene Brücke gebaut und es ihnen leicht gemacht, nicht in triebhafter Egozentrik stecken zu bleiben.-

Der ICH-vergessende "EROS" beflügelt nicht nur Fantasie, Kreativität und Findigkeit bei der Suche nach Problemlösungen, er stimuliert Schaffenskraft, er macht auch Verzichte oder Aufschübe von eigenen Wünschen aus liebender Rücksicht und Dankbarkeit möglich, ja oft sogar leicht. - So werden aus ICH-haften "Wir-fähige", offen auch für größere und komplexere Zusammenhänge. Denn das ist von uns verlangt: leise, aber doch unüberhörbar, eindringlich, aber nicht zwingend, unsere eigenen Bedürfnisbefriedigungen nie losgelöst vom größeren Ganzen zu sehen.

Weder darf z.B. der"Bauch" des "Kopf" des Menschen für seine Zwecke mißbrauchen, um - dem Anschein nach gerechtfertigt -- aus der Flasche "Lust" schlürfen zu können , noch darf der Kopf den "Bauch" gering achten und deshalb überspielen oder gar verleugnen wollen.

Wo immer eine Seite der Menschennatur die andere abwertet, verfehlt der Mensch seine geschöpfliche Aufgabe, wird er entweder als Triebsklave zum Unmenschen oder als Prinzipienreiter und Sittenwächter zum Hexenjäger.

Das Wohlfühlen rundum scheint ein gutes Indiz dafür zu sein, nicht ganz falsch zu liegen.

Von den Kehrseiten des Strebens nach Wohlfühlen

Wo z.B. körperliches Wohl- und Wonnegefühl zum Selbstzweck wird, schlagen angestrebte Ziele leicht ins Gegenteil um:

    Aus gesundem Hunger wird dann Fresssucht und Völlerei,
    aus Durstlöschen - Trunksucht,
    aus Lieben dürfen - Geilheit und Sexualverbrechen,
    aus "high"-stimmung - Drogenabhängigkeit,
    aus natürlichem Gewinnstreben - unersättliche Raffgier,
    aus dem cleveren Kaufmann - ein korrupter Gauner,
    aus Enttäuschung und Mißerfolg - Rachsucht und Verbrechen.

Wo Freiheit als Beliebigkeit missverstanden wird, bleibt Anstand, Gerechtigkeit, Takt und Humanität bald auf der Strecke. Wo der Mensch seinen Adelsbrief: "Verantwortete Freiheit" verrät, wird der Mensch bald zum Alptraum für Mitmenschen. Wo Macht-, Gewinn-, Besitz- und Luststreben die ethischen Schranken hinter sich lassen, überfluten bald alle Schrecken der Finsternis die kulturbedürftige Menschenwelt.

Nun zu einer der bewegensten Fakten unserer Erdentage:

Der Geschlechterliebe

Ja, schon in der Wiege fängt es an. Kein Tierkind, das so lang und so umfassend, mit Haut und Haar, auf die gefühlsintensive, liebende Zuwendung der Eltern, der Mutter besonders, angewiesen ist.

Fast das ganze Menschenschicksal wird - so oder so - im Kinderzimmer vorentschieden. - Manchmal werden daraus sogar Völkerschicksale.

Nach glückender Entwicklung von Bindungs- und Liebesfähigkeit erwacht im Heranwachsenden die erotisch -elektrisierende Anziehungskraft zwischen den Geschlechtern. - Damit ist zugleich auch das Einstiegstor in Sichtweite , das das Durch- und Überschreiten nur tierhafter Triebhaftigkeit möglich macht.

Beflügelt von der erotischen Anziehungskraft schuf der Mensch unerhörte Wunder in der Kultivierung des Zusammenlebens mit Ausstrahlungen in alle Lebensbereiche, besonders imponierend und augenfällig im Bereich aller Künste, damit auch der Religionen.

Es geht über meine Kraft, in Worte zu fassen, welche Höhenflüge mit dieser Morgengabe den Menschen schon gelungen und täglich gelingen. - Offenbar warten hier Talente, die auszugraben zu unserer Lebensaufgabe zählt.

Im Seelenraum der Liebe und des Geliebtseins gedeihen so wohlschmeckende Früchte wie Selbst-, Du-, und Gottvertrauen, Einfühlungsvermögen, Mitmenschlichkeit, Daheimgefühl, Dankbarkeit, Fairness, Nachsicht und Verzeihenkönnen. Nicht zuletzt auch Wahrhaftigkeit eigenen Schwachstellen gegenüber! - Sie ist der erste Schritt zur ihrer Überwindung.

Wo allerdings die Chancen zur gesunden Entfaltung und Reifung der Himmelskraft "Geschlechtliche Liebe" in der Kindheit verbaut werden, sind Abgründe von Fehlentwicklungen voller Bosheit und Grausamkeit, voller Neid und Hass, Rachsucht und Unnatur erschütterndes Ergebnis. - Die da und dort religiös kaschierte Verteufelung von Sex ist natürlich auch keine gute Antwort auf die Mißbrauchanfälligkeit der Sexualität.

Ein Wort zur Geburtsstunde von Religion

Wie schon angeklungen, spielt auch Religion in unserm Leben eine bedeutende Rolle. - Ihre Geburtsstunde schlug, als Menschen Erfahrungen von Hilflosigkeit und Abhängigkeit von unbegreifbaren Mächten machten. Mit andern Worten: Mit dem Erwachen der Vernunft war der Mensch aus dem Paradies paradiesischer Unschuld herausgefallen. - Aus der Instinktsicherheit der Tiere war die (Nach)-fragwürdigkeit der eigenen Existenz geworden.

Jetzt konnte etwas glücken oder schief gehen, sei es in eigener Verantwortung, sei es durch den Eingriff höherer Mächte. Jetzt wurden die vielgesichtigen Gefährdungen und die Erkenntnis der Todverfallenheit zum Problem. Die Reaktion darauf: Angst!

Die aber stimulierte ihn, sich nach Schutz und Hilfe umzusehen.- Die Nestwärme in Familie und Stamm reichte da oft nicht mehr aus als Schutzdamm gegen existenzielle Verunsicherung. - Das Numinose suchte und fand Namen und Ansprache. Das Unbegreifbare waren "Göttliche Mächte", deren Gunst es zu erwerben galt. Rituelle Beschwörungen waren geboren.

Weil der Mensch zum Verstehenwollen angelegt ist, wurde er unausweichlich zum Gottsucher. - Die Phänomenologie der Formen, in denen religiöses Urbedürfnis sich auszudrücken suchte - ein weites Feld! -- Es reicht von primitiven Zauber-, Geister-, Hexenglauben mit oft grausamsten Opfer-ritualen zur Besänftigung der Geister, die oft als launisch, neidisch, rachsüchtig geglaubt wurden bis hin zu Hochreligionen und Philosophenschulen, von denen höchste Kulturleistungen ausgingen.

Jetzt ein Wort an Suchende und Zweifler

Religiöse Erfahrung hat also zu tun mit der Erfahrung unserer geschöpflichen Grenzen. D.h. Der Mensch kann gar nicht anders, er muß fragen nach Sinn, Ursprung und Ziel unserer Existenz. Sogar der Atheist denkt in religiösen Kategorien trotz seines Denkresultats: Negation von Sinn bzw. seine Unerkennbarkeit

Die Ausdrucksformen von Religionen durch die Geschichte bis heute hat unzählige, und höchst widersprüchliche Gesichter.

Kirchen und Konfessionen, dem Anspruch nach Künder und Verwalter "ewiger Wahrheiten" sind die Antwort auf das Urbedürfnis nach Zugehörigkeit, nach seelischer Heimat, nach sinnstiftender Orientierung, gerade auch in existenziellen Krisen.

Natürlich sind auch Kirchen und Konfessionen Gebilde mit allen Schwächen und Ärgernissen, die nun mal menschlichem Sein und Wirken anhaften. -- Ihre Verkünder können aber nur in sinnenhaften, irdischen Bildern und Gleichnissen vom "Unverfügbaren" künden. Immer bleibt ein wesenhaftes Ungenügen, gemessen am Anspruch, das ewig Gültige würdig zu vertreten und verläßliche Wegweisung in allen Lebenslagen anzubieten.

In Umbruchzeiten wie der unseren werden tradierte Formen von Religion zu leicht und zu schnell als ärgerlich, verkrustet und lebensfremd empfunden. Für ernsthaft Suchende bedeutet das heute:

Durch alles Zeitbedingte und Störende hindurch gilt es, die Sensibilität für das erahnte "Unbedingte" dahinter zu bewahren. Wir Christen meinen Den, Den Jesus als liebenden Vater anzurufen uns gelehrt hat. ---

Religiöse Formen und Formeln des kulturgeschichtlichen Wandels, sind sie mehr als ein Stammeln, ein vergängliches Gleichnis für unsere Ehrfurcht vor dem unausdeutbaren Geheimnis, dem Urgrund und Ziel unseres Lebens?

Wo diese Ehrfurcht bei Einzelnen oder bei ganzen Völkern verloren geht, wo der Mensch sich selbst zum Gott macht, ist Schlimmstes zu erwarten. - Unheil steht aber auch ins Haus, wo Fanatiker religiöses Ursehnen der Menschen für ihre Zwecke mißbrauchen.

Unsere Erfahrungen in dieser Richtung sollten für die nächsten zehn Generationen reichen! - Ein Wunschtraum!