Ernst Rees: Versteinerungen

Ein dankbares, oft spannendes Hobby, ist es, Versteinerungen von Pflanzen und Tieren nachzugraben, die vor Jahrmillionen gelebt haben. Immer wieder verzaubert ihre Schönheit und die Vielfalt der Formen.

"Fossilien" heißen sie bei den Paläontologen. Für diese Urzeitforscher sind sie ein sprechendes Geschichtsbuch über Lebensverhältnisse auf unserer Erdheimat, Äonen vor der Zeit, als Menschheitsgeschichte begann.

Es gibt jedoch auch Versteinerungen, die gar nicht schwer zu finden sind, die ungleich jünger sind, die gar nicht fascinieren, im Gegenteil --- und sich eigentlich nur störend und aufdringlich bemerkbar machen:

Ich meine versteinerte Vorurteile, Einstellungen und abstoßende Gewohnheiten.- Sie fallen uns nur bei anderen unangenehm auf. Die "Besitzer" wissen oft nichts von ihrem "Schatz". Diese Abart von Fossilienhortern sind keineswegs nur unter älteren "Semestern" zu finden. Alle Lebensalter zwischen 15 und 9o Jahren sind vertreten.

Seelische Versteinerungen, d. h. Herzensverhärtungen - eimal gewuchert aus unverstandenen und unverdauten Enttäuschungen, erfahrenem oder vermeintlichem Unrecht - sind hinterher durch keine Beweise des Gegenteils mehr zu erschüttern.

Neues wird von so einmal fehlprogrammierten Besserwissern nur in soweit akzeptiert,soweit sie sich durch das Neue nicht gestört fühlen. Annehmbar ist es in jedem Fall nur, soweit es ihren Horizont und ihre Denkweisen und Gewohnheiten nicht in Frage stellt.

Hüten wir uns, selbst in die Gefahrenzone zu kommen, wo Menschen zu einem seelisch - geistigen Fossil verkommen können und fast jeder Therapieversuch "für die Katz" ist.