Alte, aber nie alternde Weisheiten

(gesammelt und kommentiert von Ernst Rees)

Ich meine die zu Sprichwörtern geronnenen Lebenserfahrungen vieler vergangener Generationen. Ich fange mit zweien aus noch jüngerer Zeit an:

"Teuer sind Erfahrungen, die wir so billig beim Nachbar hätten holen können".

In die gleiche Richtung zielt das andere:

"Durch Schaden wird man klug -
du gehst auf Heiles-Pfaden,
wenn klug du wirst durch fremden Schaden.
Beispiele stehn vor dir, nimm Warnung an von ihnen,
daß du nicht mögest anderen als Warnungsbeispiel dienen"

Es könnte Seneka, der Erzvater römischer Lebensweisheit gewesen sein, der den Rat gab:

"Quidquid agis, prudenter agas et respice finem".

Wörtlich übersetzt:

"Was du auch tun magst, tu's mit Bedacht
und denk an das Ende!"

Deftiger sagt das der Volksmund heute:

"Du musch halt auslöffle, was du dir eingebrockt hesch"

oder auch so:

"Wie du dich bettesch, so liegsch"!

Ein römischer Witzbold dichtete Senekas Spruch um, durchaus beherzigenswert:

"Quidquid bibis, prudenter bibas, et respice finem"!
"Was du auch trinkst, trink mit Bedacht und denk an das Ende".

Aktuell auf Herbolzheimerisch:

"Hast du einen in der Krone, überlass den Golf deinem Sohne!"

Talente, Glückslose und Lebenschancen waren schon immer ungleich verteilt. Damit hatte sich auch der Lebenskünstler abzufinden, der für sich und uns dichtete:

"Quod licet Jovi, non licet bovi".

Was das elegante Wortspiel in Latein noch verbirgt, das kann die sinngetreue Übersetzung ins Deutsche nicht mehr verheimlichen:

"Was Jupiter (dem obersten des Römischen Götterhimmels) erlaubt ist, ist (noch lange nicht) das Recht von jedem Ochsen!"

So wirkt der Satz plump, provozierend und brutal. Denn die gemeinten Reichen und Mächtigen sind nun mal keine Götter, auch keine halben, so wenig wie Arme und Abhängige Ochsen sind. - Und doch beschreibt das Sprichwort scharfzüngig eine gar nicht seltene hochmütig und gefährlich dumme Einstellung so mancher Erfolgreicher.

Das Sprüchlein enthält erhebliche gesellschaftliche und soziale und deshalb politische Sprengkraft. Probleme gibt es spätestens da, wo die Verhältnismäßigkeit von Rechten und Pflichten arg gestört ist. Wo z.B. soziale, wirtschaftliche, also politische Skandälchen und Skandale zum öffentlichen Ärgernis werden, wird allemal der Nährboden vorbereitet für Protestbewegungen, Unruhen, Staatsverdrossenheit, für Revolten und Revolutionen.

Die Abschaffung von Rang- und Standesunterschieden können wir aber getrost anarchistischen Utopisten überlassen. Denn einer in der Gruppe hat das Kommando sowieso, wie ein Sprichwort verrät:

"Wo der Hahn fehlt, kräht die älteste Henne."

Doch Herr sein fängt mit dem Meistern des eigenen Lebens an. Das ist vielleicht bittere Medizin für Nervenbündel. Denn

"Nervöse Menschen sind wie Schwefelhölzchen,
die gerignste Reibung erhitzt sie".

Trotzdem:

"Nie die Hoffnung aufgeben!
Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt".

Und weil das so ist, sollten wir uns den Rat eines großen Römers zu Herzen nehmen, für den jeder Tag Geschenk und Aufgabe zugleich war. Er brauchte nur zwei Wörtchen dazu:

"Carpe diem!"

"Nütze deine Tage und Stunden,
solange sie dir zur Verfügung stehen!"

Goethe sagte dasselbe so:

"Was du der Minute ausgeschlagen,
keine Ewigkeit holt es zurück."

Im Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen steckt die gleiche Weisheit.

Ein deutsches Sprichwort noch dazu mit warnendem, fast drohenden Unterton:

"Drei Dinge kommen nie zurück,
der abgeschossene Pfeil,
das gesprochene Wort und
die Tage, die verflossen".

Als Gegengewicht zu diesem eher tragisch - resignativ klingenden Wort ein Mut machendes von Albert Schweizer:

"Fange nie an aufzuhören und höre nie auf anzufangen".

Denn Menschenaufgabe bleibt, unterwegs zu sein zu immer mehr Menschlichkeit. Was damit gemeint sein kann, finden wir in der Bergpredigt und besonders im Liebesgebot, für das Augustinus eine Formel gefunden hat, die stutzig und nachdenklich machen könnte:

"Liebe, dann tue, was du willst!"

Für den täglichen Umgang miteinander ein saloppes Wort zu "Höflichkeit":

"Sie ist wie ein Luftkissen,
wenn auch sonst nichts drin sein mag,
sie lindert die Schläge des Lebens."

Der Höfliche und Taktvolle wählt mit Bedacht seine Worte, unbedachte wirken nicht selten wie Stiche, denn

"die Zunge ist ein Dolch aus Fleisch".

Hat sie (die Zunge) aber dich getroffen, versuch's zu tragen mit Humor, denn

"Humor ist der Scherz im Schmerz."

Hast du das Pech und kannst es einem oder einer nie recht machen, so denk:

"Eine Ziege meckert, ob sie gemolken wird oder nicht."

Übrigens

"Vorbeugen ist allemal besser als Heulen". --

Nimm dich auch vor deinen Gedanken in Acht, denn

"Aus Gedanken wachsen Wünsche,
aus Wünschen sprießen Taten,
aus Taten werden Gewohnheiten -- und
aus Gewohnheiten werden Schicksale -- denn
am Anfang sind sie wie Spinnweben,
am Ende oft eiserne Gitter."

Zum Schluss ein nachdenkliches Wort zu "Glück"

"Wahres Glück setzt Selbstachtung voraus.
Doch Selbstachtung gibt es nicht ohne Achtung vor Mitmenschen,
Und die gibt es nicht ohne Einsicht in eigene Schwächen,
aber auch nicht ohne eigene Stärken;
und eigene Stärken gab es noch nie ohne eigene Anstrengung."