Ortsverband Königstein-Glashütten

Der Vogelzug in Zeiten des Klimawandels


16. November 2007
20 Uhr
„Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“ – oder doch?

Wissenschaftliche Erkenntnisse zum Vogelzug in Zeiten des Klimawandels
Referentin: Dr. Barbara Helm
Pfarrgemeindesaal Katholische Kirche in Schneidhain
Einladung hier...

Bericht über den Vortrag von Dr. Barbara Helm

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, oder doch?

Am 16. November hielt Dr. Barbara Helm in dem bis auf den letzten Platz besetzten Gemeindehaus in St. Johannes in Schneidhain einen Vortrag zum Vogelzug. Im Rahmen der Klimaschutzkampagne des BUND- Königstein-Glashütten fasste Frau Helm in einem mit Details gespickten Vortrag ihre Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Vogelkunde und die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf den Vogelzug zusammen.

Die Schwester des amtierenden Bürgermeisters von Königstein, Leonhard Helm, wurde in Königstein geboren und interessierte sich schon seit ihrer Kindheit für die Vogelkunde. Sie engagierte sich in ihrer Jugend ehrenamtlich im Vogelschutz und machte dann ihr Hobby zum Beruf. Sie studierte in Tübingen, Boston, Jena und München Biologie und Philosophie und machte ihre Diplom- und Doktor-Arbeit am Max Planck Institut für Ornithologie in Seewiesen und Andechs, für die sie mit der Otto-Hahn-Medaille geehrt wurde. Seit der Vollendung ihrer Doktorarbeit forscht sie in Andechs weiter.

Die Hochleistungen der Vögel

Im ersten Teil des Vortrags standen die faszinierenden Leistungen der Vögel und deren Erforschung im Mittelpunkt. Menschen haben zivilisationsbedingt schon vor vielen Jahrhunderten das früher verankerte saisonale Verhalten bspw. bei der Fortpflanzung aufgegeben. Vögel haben ihre an die Jahreszeiten gekoppelten Verhaltensweisen bis heute nicht groß verändert.

Die Vögel passen sich mit erstaunlichen Verhaltensweisen und Körperumbauprozessen an den Jahreslauf an, denn Erfolg hängt für sie wesentlich vom „Zeitmanagement“ ab. Nach der Brut folgt die Mauser. Während der Mauser sind Lücken in den Flügeln, so dass die Vögel nicht in vollem Umfang flugfähig geschweige denn besonders manövrierfähig sind. Vor dem Antritt des langen Herbstzugs bauen sie ihren Körper um: sie reduzieren überflüssige Organe. In Abhängigkeit ihres Speicherfetts fliegen sie entweder auf direktem Wege in Richtung Überwinterungsgebiet oder nehmen einen größeren Umweg in Kauf, um sich noch Fettreserven anzufressen. Frau Helm präsentierte dazu beeindruckende Kernspin-Aufnahmen von Vögeln. Nach der Überwinterungsphase schließt sich der Frühlingszug an und das Brutgeschäft beginnt erneut.

Die Konstanz und die Präzision im Verhalten der Vögel, die eine Art inneren Kalender in sich tragen, hat in der Vergangenheit zum Entstehen der Bauernregeln beigetragen :

„Halten die Krähen Konzilium,

so sieh nach Feuerholz dich um“

oder

„An Mariä Geburt

ziehen die Schwalben furt“.

Die Vogelzugprogramme sind fest im Verhaltensmuster der Vögel verankert und werden vererbt. Dies zeigten u.a. Experimente in denen man Jungstare an falsche Ausgangsorte verfrachtet hat. Die Jungvögel folgten einer gespeicherten Richtung. Einzelne Vögel können sich dennoch durchaus verfliegen. Mit Glück schließen sie sich erfahrenen Altvögeln an und gelangen so an ihr Ziel.



Dr. Barbara Helm in ihrem Labor in Andechs


Untersuchungen an in Gefangenschaft gehaltenen Gartengrasmücken in Andechs lieferten eindeutige Ergebnisse zur Entstehung der sog. „Zugunruhe“. In dem Zeitraum, in dem die Vögel wegfliegen müssten, registrieren Bewegungsmelder in den Käfigen eine steigende Aktivität, die selbst in der Nacht nicht abnahm. Die Schlafmenge war über viele Monate auf ein Drittel der ursprünglichen Menge reduziert. Das Programm, das den Vögeln das Signal zum Aufbruch gibt, scheint in der genetischen Information der Vögel verankert zu sein.

Ein weiterer Hinweis auf die genetische Verankerung der Zuginformation in den Erbanlagen liefert der Kuckuck: Er wächst bei den „falschen“ Eltern auf, kann aber die Zugroute, die seine Artgenossen nehmen, auf Anhieb fliegen.

Ornithologen unterscheiden zwischen Kalender- und Wettervögeln. Wettervögel sind Kurzstreckenzieher. Kalendervögel sind die sog. Langstreckenzieher. Ein erstaunliches Beispiel für die Leistungen dieser Langstreckenflugkünstler hat kürzlich eine per Satellitenortung verfolgte seltene Pfuhlschnepfe erbracht: Sie flog 11.000 km in nur 8,5 Tagen von der Arktis bis Neuseeland und dann zurück nach Japan und Alaska größtenteils über das offene Meer und ohne Möglichkeit zu Rasten oder Nahrung aufzunehmen.

Zugvögel und die Vogelgrippe

Ornithologen haben in den vergangenen Jahren ebenso Fragen zu der Ausbreitung von Krankheiten (speziell der Vogelgrippe) im Zusammenhang mit dem Vogelzug beantworten müssen. Es ist bislang noch nicht genau verstanden, wie Vögel Strategien entwickeln, um während des Zuggeschehens nicht zu erkranken. Ein kranker Vogel könnte die Riesenflugstrecken nicht bewältigen. Forscher haben zwei Theorien: entweder reagiert ihr Immunsystem anfangs ganz massiv oder es reagiert überhaupt nicht, sodass gar keine Erkrankungssymptome auftreten. Zugvögel verändern jedoch nachweislich während des Zuggeschehens ihr Immunsystem. Die Verbreitungswege der Vogelgrippe folgen jedoch weitestgehend den Handelsrouten von Geflügel und nicht den Zugrouten der Vögel.

Wie reagieren Zugvögel auf den Klimawandel?
Zugvögel sind aufgrund ihres Lebensraumes, der im Laufe eines Jahres bei einigen Arten die halbe Erde umspannt, in riesigen Gebieten verwundbar.

Lang- und Kurzstreckenzieher reagieren jedoch ganz unterschiedlich auf veränderte klimatische Bedingungen. Der nordamerikanische Bobolink hat in den letzten Jahren seine Rückkehr um nur 4 Tage verlagert, der amerikanische Braunkopf-Kuhstärling um ganze drei Monate!

Kurzstreckenzieher können auf frühzeitig auftretende wärmere Temperaturen schnell reagieren und früher nach Hause zurückfliegen. Das Brutgeschäft fängt bei diesen Vögeln viel früher an. Durch ihren Vorsprung können sie bisweilen erfolgreich sogar mehr Gelege als früher ausbrüten. Die Gefahr besteht jedoch darin, dass ein plötzlicher Kälteeinbruch zu einer dramatischen Reduzierung der gesamten Population dieser Art in einer Region führen kann. Der Kuhstärling hat sich an die veränderten Bedingungen rasch angepasst.

Flexible Arten sind somit die Gewinner, da sie ihr Zugverhalten reduzieren und teilweise vom momentanen Klima profitieren.

Langstreckenzieher sind die eigentlichen Verlierer des Klimawandels. Am Kalender mangelt es der langstreckenziehenden Schwalbe nicht, sie trägt ihn in sich.

Langstreckenzieher finden jedoch auf ihrer Reise in den Süden ausgedehntere Wüsten und ausgetrocknete Sumpfgebiete vor, die Rast und die Nahrungsaufnahme während der langen Reise werden schwieriger. Bei ihrer Rückkehr in ihre Brutreviere sind, bedingt durch höhere Temperaturen, aus den Insekteneiern schon die Raupen geschlüpft und in ihrer Entwicklung Richtung Puppe fortgeschritten. Die Raupen fehlen somit als Nahrungsgrundlage. Die Synchronisation zwischen Beginn der Raupenentwicklung und der Rückkehr der Vögel ist aufgehoben. Je früher die Raupen des Frostspanners schlüpfen, desto mehr nimmt die Population bspw. des Trauerschnäppers ab.

Pinguine und Hochgebirgsarten, die auf kalte Temperaturen angewiesen sind, sind oft akut vom Aussterben bedroht. Für den Papageientaucher entsteht eine dramatische Situation: Für die Brut muss er genügend Sandaale fangen können, Sandaale gedeihen jedoch nur in kaltem Wasser. Das Ausbleiben der Sandaale im warmen Wasser führt zum Misserfolg bei der Jungenaufzucht des Papageientauchers.



Das Forschungsgebiet von Ornithologen ist ein grenzüberschreitendes, das die positive globale Zusammenarbeit wie bspw. in Eilat zwischen Israelis und Palästinensern fördert. Internationale Forschungsteams arbeiten auf der ganzen Welt an der Erforschung des Vogelzugs.

Frau Helm schloss ihren mit viel Beifall bedachten Vortrag mit einem dringenden Appell zum Handeln auf, denn der menschengemachte Klimawandel hat dramatische Auswirkungen auf die Vogelwelt und kann nur durch entschlossenes Handeln vielleicht etwas abgebremst werden.



Bericht Dr. Claudia Weiand, von Dr. Barbara Helm genehmigt



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